Wartezeitkündigung wegen HIV-Infektion diskriminierend ?

Das Bundesarbeitsgericht ging der Frage nach, ob eine symptomlose HIV-Infektion eine Behinderung und eine darauf basierende arbeitgeberseitige Kündigung eine Diskriminierung sein kann.

Kann eine HIV-Infektion eine Behinderung sein ? gilt dies auch für chronisch Kranke ?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt Diskriminierungen ua. wegen einer Behinderung.

Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch – in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) – seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, beeinträchtigt sein kann.

Ein Arbeitnehmer, der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankt ist, ist in diesem Sinn behindert!

Auch chronische Erkrankungen können zu einer Behinderung führen!

Die gesellschaftliche Teilhabe von HIV-Infizierten ist typischerweise durch Stigmatisierung und soziales Vermeidungsverhalten beeinträchtigt, die auf die Furcht vor einer Infektion zurückzuführen sind. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG wegen der HIV-Infektion, ist die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen kann.

 

Verfahrensgang:

Auf die Revision des Klägers hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Die Kündigung benachteiligt den Kläger unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG, weil sie in untrennbarem Zusammenhang mit seiner Behinderung steht.

Ob die Kündigung gleichwohl gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht muss noch aufklären, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Klägers hätte ermöglichen können. Ist das nicht der Fall, ist die Kündigung wirksam. Ob dem Kläger eine Entschädigung zusteht, hängt davon ab, ob die Kündigung wirksam ist.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Januar 2012 – 6 Sa 2159/11 –