Wie der Bahn-Streik ein Ende fand !

Wie ich Ihnen – geschätzter Leser, geschätzte Leserin – bereits berichtet habe, fand die Verhandlung über den aktuellen Bahn-Streik vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt am Main statt. Einen kurzen Bericht konnte ich noch am Donnerstagabend einstellen.

Den Bericht über die II. Instanz vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht am Freitag einzustellen, war mir terminlich nicht möglich. Sicherlich haben Sie aus der Presse erfahren, mit welchem Ergebnis das Verfahren zu Ende ging und welche Auswirkungen es hatte, nämlich das Ende des Bahn-Streiks.

Hier erfolgt nun ein sehr (!) ausführlicher Bericht über die Prozeßsituation, den Verhandlungsablauf, Darstellung der einzelnen Positionen der Parteien sowie einige Erläuterungen des Tarifrechts in abgekürzter Form.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse an dieser Sache !

Hier nun mein Bericht.-Hinweis: die Verlinkungen füge ich zu einem späteren Zeitpunkt ein. –

Bei dem Arbeitsgericht Frankfurt/M ist am 6.11.2014 um 08:00 Uhr die Antragsschrift der Verfügungsklägerin (Deutsche Bahn AG) gegen die Verfügungsbeklagte (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, GDL) eingegangen (Az. 10 Ga 162/14). Dieses Verfügungsverfahren hatte zum Ziel die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des seit dem 4.11.2014 bzw. 5.11.2014 laufenden Streiks der Zugführer und des Zugpersonals zu klären.

Das Gericht erläutert den Sach – und Streitstand:

Der im Juni zum Jahresende gekündigte Tarifvertrag (Lokomotivführer-Tarifvertrag, kurz: LF-TV) enthält Regelungen, über die die Beklagte verhandeln möchte mit dem Ziel eines eigenen Tarifvertrags, welcher sich von dem kürzlich geschlossenen Tarifvertrag zwischen der DB und der Eisenbahn-Verkehrs-Gewerkschaft (EVG) unterscheidet/unterscheiden kann.

Im Einzelnen sind dies folgende Positionen:

1.       § 5 Abs. 1, Abs. 2 ArbZG gegensätzlich § 3 Bundesrahmentarifvertrag LF (BuRaLF-TV, Flächentarifvertrag) iVm dem seit 2011 geltenden und nun gekündigtem § 53 Abs. 3 Nr. 8 LF-TV (Haustarifvertag zwischen der GDL und dem Arbeitgeberverband der DB – der Agv MoVe).

Die gesetzliche Regelung im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sieht eine Ruhezeit nach der täglichen Arbeitszeit von ununterbrochen 11 Stunden vor, § 5 Abs. 1 ArbZG.

Für Betriebe bestimmter, gesetzlich näher definierter Branchen, können durch Tarifvertrag Ausnahmen hiervon geregelt werden, § 5 Abs. 2 ArbZG – so auch für Verkehrsbetriebe, wie die DB eines ist. Der Gesetzeswortlaut spricht von einer sog. „Kann“-Regelung. Dies bedeutet, daß die gesetzliche Regelung durch einen Tarifvertrag geändert werden kann.

Dies sieht sowohl der BuRaLF-TV als auch der LF-TV vor. Die Regelungen beider Tarifverträge sind nicht wortgleich, aber – so die Auffassung der GDL – wirkungsgleich.

Das Verhältnis beider Tarifverträge zueinander ist nicht ganz unproblematisch, denn der Flächen – bzw. Rahmentarifvertag (BuRaLF-TV) ist in diesem Punkt ungekündigt und gilt daher fort. Dagegen ist der Haustarifvertrag LF-TV, der speziellere Tarifvertrag, gekündigt.

Der LF-TV als der speziellerer der beiden Tarifverträge sieht eine Ruhezeitverkürzung auf 9 Stunden vor, der BuRaLF-TV enthält keine solche Regelung.

Gemäß §§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 5 TVG (Tarifvertragsgesetz) entfalten gekündigte Tarifverträge eine Nachwirkung solange, bis eine andere Regelung in Kraft tritt. Jedoch – im Zusammenspiel aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) herauszulesen – ist die Friedenspflicht bei ungekündigten Tarifverträgen. Friedenspflicht bedeutet absolutes Arbeitskampfverbot in dieser Zeit. In der sog. Nachwirkungszeit dürfen Arbeitskämpfe (der Streik der Arbeitnehmer bzw. die Aussperrung der Arbeitgeber) durchgeführt werden, sofern sie verhältnismäßig sind. Die Verhältnismäßigkeit wird anhand diverser Kriterien geprüft – hierzu später.

Die DB ist der Auffassung, daß zwar der LF-TV, also der speziellere Tarifvertrag, gekündigt ist und in dessen Nachwirkungszeit gestreikt werden dürfe, jedoch der ungekündigte –generellere – BuRaLF-TV nunmehr Wirkung entfalte und aufgrund seiner Friedenspflicht jeglichen Arbeitskampf rechtswidrig werden lasse. Der Verstoß gegen die Friedenspflicht bedeutet, daß dieser aktuelle Streik rechtswidrig und damit zu beenden ist.

Die GDL hingegen vertritt die Ansicht, daß sie zu Recht den LF-TV gekündigt habe, da bei 9 Stunden Ruhezeit keine Erholungszeit des Zugführers und des Zugpersonals mit seiner Familie und Kindern gegeben ist, sondern die Zugführer und das Zugpersonal größtenteils diese Ruhezeiten fernab der Heimat bei sog. auswärtigen Übernachtungen verbringen würden. Deshalb könne von Ruhezeit und Erholungsphasen keine Rede sein, da die Mitglieder der GDL diese Zeiten nicht mit ihren Familien verbringen können. Der generellere BuRaLF-TV enthalte keine Regelung nach der Anzahl der Stunden der Ruhezeit und sei daher nicht heranzuziehen, sondern alleine der gekündigte LF-TV. Da sich letzterer in der Nachwirkungszeit befinde, gelte keine Friedenspflicht und es dürfe daher gestreikt werden.

 

 

2.       Honorierung der Berufserfahrung der Zugführer durch Einführung von weiteren Lohnstufen (Änderung des Entgeltsystems) (30. und 35. Berufsjahr) ist ein streikfähiges Ziel gegensätzlich zu der Ansicht, der Arbeitgeber würde durch einen solchen Tarifvertrag zu mittelbarer Diskriminierung (Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG) gezwungen und setze sich damit Klagen durch Arbeitnehmer aus.

Das bisherige Entgeltsystem der Tarifvertragsparteien sieht vor, daß Gehaltssteigerungen nach Berufserfahrung in 5-Jahres-Abschnitten erfolgen, wobei die bislang höchste Erfahrungsstufe (= Entgeltstufe) bei 25 Jahren Berufserfahrung liegt.

Hierbei ist eine Besonderheit dieser Branche zu beachten.

Ursprünglich nutzte man das Lebensalter zur Differenzierung der Gehaltsstufen. Wer älter war, verdiente mehr. Dies ist auch heute noch in praktisch allen Branchen der Fall. Durch die Privatisierungen bei der ursprünglichen Bundesbahn hin zur Deutsche Bahn AG sind viele Streckenabschnitte privatisiert und an Fremdfirmen vergeben worden. In regelmäßigen Abschnitten laufen diese Verträge aus und müssen neu ausgeschrieben werden. Konkurrierende Unternehmen bewerben sich dann mit einem Vertragskonzept bei der DB mit dem Ziel, eine solche Ausschreibung „zu gewinnen“. Der „Verlierer“ dieser Ausschreibung hat nun einen hohen Personalüberhang, der durch Kündigungen abgebaut wird. Damit verliert jeder gekündigte Arbeitnehmer seine Betriebszugehörigkeit. In der Regel werden diese Arbeitnehmer von dem die Ausschreibung gewinnenden Unternehmen übernommen, die sich die Erfahrung der Arbeitnehmer zu Nutze machen. Allerdings fängt dieser Arbeitnehmer bei dem neuen Unternehmen mit einer Betriebszugehörigkeit von 0 Jahren an – während er zuvor vielleicht 10 Jahre hatte – sein / ihr Gehalt wird also geringer. Um diese Ungerechtigkeit zu vermeiden, hat man in den 1990er Jahren das Entgeltsystem von Betriebszugehörigkeit auf Berufserfahrung umgestellt. So kann nun jeder, der bedingt durch eine Ausschreibung das Unternehmen wechselt und bei 0 Jahren Betriebszugehörigkeit anfangen muss, dennoch das gleiche Gehalt wie zuvor bekommen, da jetzt die Berufserfahrung zählt, welche durch einen Arbeitgeberwechsel nicht verloren gehen kann.

Die GDL ist der Auffassung, das Streikziel der Einführung von zwei weiteren Entgeltstufen nach dem 30. Berufsjahr (= Erfahrungsjahr) und dem 35. Berufsjahr –bedingt durch den immer schneller werdenden technischen Fortschritt – sei rechtmäßig und der Streik dürfe daher fortgesetzt werden.

Die DB hingegen vertritt die Ansicht, daß jeder Mensch egal welchen Berufs nach 25 Berufsjahren seinen größten Erfahrungsschatz / Routine erworben hat und daß dies nicht weiter zu steigern ist. Die Anpassung an den technischen Fortschritt könne nicht durch die Einführung weiterer Erfahrungsstufen erreicht werden – vielmehr würde der Arbeitgeber hierdurch indirekt zur mittelbaren Altersdiskriminierung gezwungen werden, da einige Zugführer aufgrund ihres höheren Einstiegsalters diese Stufen gar nicht erst erreichen könnten und somit diskriminiert werden und hiergegen klagen würden.

 

 

3.       Verhältnismäßigkeit

 

Die Prüfungsstufen der Verhältnismäßigkeit sind folgende: Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (= Angemessenheit) des eingesetzten Mittels (hier: des Streiks). In letzterer Prüfungsstufe findet eine Interessenabwägung der widerstreitenden Interessen (Ansichten der Parteien) statt. Das Ergebnis einer solchen Prüfung ist entweder die Verhältnismäßigkeit (Rechtmäßigkeit und damit Fortsetzung des Streiks) oder die Unverhältnismäßigkeit (Rechtswidrigkeit und damit sofortige Beendigung des Streiks), ein „mittleres“ Ergebnis – etwa Teilverhältnismäßigkeit – gibt es nicht.

 

Vorliegend fließt in die Verhältnismäßigkeit zwingend die Prüfung des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit mit ihren sämtlichen Ausprägungen (zB Streikrecht) gemäß Art. 9 Abs. 3 GG ein.

 

Unsere Verfassung sieht in Art. 9 Abs. 3 GG vor, daß

 

zur Wahrung und Förderung der Arbeits – und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen

gebildet werden dürfen, und daß

 

Arbeitskämpfe…., die zur Wahrung und Förderung der Arbeits – und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen ….geführt werden

dürfen.

 

Vereinigungen in diesem Sinne sind sowohl die Gewerkschaften (hier GDL) als auch Arbeitgeberverbände (hier der Agv MoVe). Diese sind auch die Tarifvertragsparteien, welche für ihre jeweiligen Mitglieder Tarifverträge abschließen bzw. zur Erzwingung dieser einen Arbeitskampf führen dürfen.

 

Die DB ist der Ansicht, daß der Streik unverhältnismäßig und daher rechtswidrig und somit zu beenden ist.

 

Als Argumente führt sie an, daß seit September 2014 nunmehr der 5. Streik der GDL geführt wird und daß bereits ein Schaden in Höhe von rund EUR 1.000.000,- (gerechnet bis Streikende Montagabend, 10.11.) entstanden sei. Das Institut für Wirtschaftsforschung hat die gleiche Summe – allerdings täglich – für die Gesamtwirtschaft errechnet. Dies stünde in keinem Verhältnis zur Mitgliederzahl der GDL. Durch den Streik sei die Daseinsvorsorge betroffen, da zB Berufspendler nur unter erschwerten Bedingungen zur Arbeit kämen. Weiterhin seinen – bezogen auf die Feierlichkeiten am 9.11. zum Tag des Mauerfalls – auch nationale Interessen dadurch berührt, daß etwa in Berlin keinerlei öffentliche Verkehrsmittel mehr führen und es dort zu einem völligen Stillstand kommen werde. Den Bürgern sei eine Teilnahme an diesen Feiern daher nicht mehr möglich. Das dem Arbeitgeber zustehende Arbeitskampfmittel – die Aussperrung – sei hier nicht möglich, da der Bahnverkehr sonst bundesweit zum Erliegen käme und überdies auch beamtete Zugführer träfe, die gar kein Arbeitskampfrecht haben und dennoch beschäftigt werden müssten.

 

Darüber hinaus habe die GDL den ersten Schlichtungsversuch vom Sonntag, 2.11., abgelehnt mit der Begründung, daß sie über das Bestehen von Grundrechten nicht verhandele und zum Streik ab 4.11. aufgerufen habe.

Ein weiterer Schlichtungsversuch vom 6.11. habe die GDL gar nicht erst beachtet bzw. beantwortet.

 

Die GDL hingegen ist der Auffassung, daß ihr ein ungemindertes Streikrecht zustehe – sie lasse sich kein Grundrecht nehmen. Sie wirft der DB vor, bislang in mehreren Verhandlungsrunden zu keinem einzigen inhaltlichen Punkt verhandelt zu haben, sondern lediglich anbiete, den mit der EVG geschlossenen Tarifvertrag auf die GDL auszuweiten und damit indirekt der GDL den Status einer Gewerkschaft absprechen zu wollen – in letzter Konsequenz des Grundrechts auf Arbeitskampfmaßnahmen wegnehmen zu wollen. Dies lasse die GDL nicht zu, sie vertrete Mitglieder die zu Recht das Recht auf einen eigenen Tarifvertrag hätten, Art. 9 Abs. 3 GG, der möglicherweise inhaltsgleich zu dem der EVG sein könne, aber nicht müsse. Dieser Streik diene vielmehr dazu, die DB an den Verhandlungstisch zu zwingen, um über Inhalte zu verhandeln. Dies lehne die DB bislang ab. Ein Eingehen auf die Schlichtungsangebote der DB war der GDL in der Kürze der Zeit nicht möglich.

 

Um die Positionen der GDL und der DB besser verstehen zu können, bedarf es einiger Erläuterungen.

 

Das Grundgesetz spricht von „Wahrung – und Förderung der Arbeits – und Wirtschaftsbedingungen“, aber nicht davon, auf welche Weise dies geschehen kann. Das Tarifvertragsgesetz (TVG) sieht hierzu den Abschluß von Tarifverträgen vor, welche die geforderten Regelungen zur Wahrung – und Förderung von Arbeits – und Wirtschaftsbedingungen treffen.

Als die Bundesrepublik Deutschland noch in den Kinderschuhen steckte, waren Gewerkschaften groß und mächtig; sie konnten Tarifverträge gut durchsetzen und so die Arbeits – und Wirtschaftsbedingungen, die zum Wiederaufbau benötigt wurden, schaffen. Im Zenit der 1960er/1970er Jahre war in manchen Unternehmen folgende Situation anzutreffen: es gab mehrere Tarifverträge für unterschiedliche Arbeitnehmer(-gruppen), so daß – als Beispiel – teilweise die Arbeitnehmer für exakt identische Tätigkeiten unterschiedlich bezahlt wurden – je nach Gewerkschaftszugehörigkeit. Damit war eine Lohn-Ungleichheit geschaffen worden, die sich kaum noch rechtfertigen ließ. Diese Situation nennt man Tarifpluralität.

In dieser Situation hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Begriff „Grundsatz der Tarifeinheit“ geprägt. Dieser Grundsatz sieht vor, daß in einem Betrieb nur ein einziger Tarifvertrag zur Anwendung kommt, so daß identische Tätigkeit auch identisch entlohnt wird (persönliche Unterschiede der Arbeitnehmer mal außer Betracht gelassen). Nun gab es aber immer noch verschiedene Tarifverträge mit unterschiedlichen Regelungen, die in einem einzigen Betrieb zur Anwendung hätte kommen können, sog. Tarifkonkurrenz. Dies löste man dadurch, daß einige der Tarifverträge sog. Flächentarifverträge (etwa ein bestimmtes Bundesland oder ein bestimmter Bezirk) oder Rahmentarifverträge (etwa bezogen auf eine einzelne Branche oder Tätigkeit) wurden. Dies sind die generell gültigen Tarifverträge, die immer dann zur Anwendung kommen, wenn kein speziellerer Tarifvertrag anwendbar ist. Solche speziellen Tarifverträge können sog. Haus-Tarifvertrag sein. Diese können einzelne Arbeitsbedingungen regeln und sind auf den konkreten Betrieb zugeschnitten.

Im Jahr 2010 ließ das BAG diesen Grundsatz der Tarifeinheit fallen, indem es lapidar erklärte, die Reihenfolge der zur Anwendung kommenden Tarifverträge müssen entweder die Gerichte klären oder aber der Gesetzgeber müsse den Grundsatz der Tarifeinheit nunmehr gesetzlich regeln. Bekanntermaßen ist es hierzu bislang noch nicht gekommen, denn dazu müßte das Grundgesetz geändert werden.

 

Für die Parteien DB und GDL bedeutet dies, daß Arbeitgeberverband und Gewerkschaften einen Rahmentarifvertrag mit dem BuRaLF-TV für die Zugführer sowie einen Haus-Tarifvertrag (LF-TV) abgeschlossen haben. Diese konkurrieren in der Weise miteinander, daß der LF-TV vorrangig Anwendung findet und der BuRaLF-TV nur dann zur Anwendung kommt, wenn der speziellere Tarifvertrag entweder keine Regelungen zu einem bestimmten Thema enthält, oder – wie hier – gekündigt und in der Nachwirkung ist.

 

Arbeitgeberverband und EVG haben bereits einen neuen Haus-Tarifvertrag abgeschlossen.

Die deutlich kleinere, aber ältere GDL möchte nun einen eigenständigen Haus-Tarifvertrag mit dem Arbeitgeberverband abschließen (der Inhalt eines solchen Tarifvertrages ist an dieser Stelle unwichtig) und damit die Tarifpluralität bei der DB einführen. Die DB steht dem nicht positiv gegenüber, da dies zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer führen kann und damit den Betriebsfrieden und Betriebsablauf stören könnte.

 

 

Die Vorsitzende Richterin am Arbeitsgericht Schmidt stellte nach Erörterung des Sach – und Streitstands die Möglichkeit einer gütlichen Einigung durch einen Vergleich in den Raum.

 

Das Gericht ist gesetzlich dazu verpflichtet, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken.

 

Welchen Inhalts dieser Vergleichsvorschlag war, ist unbekannt, er hatte jedoch die Beendigung des Streiks gegen Rückkehr an den Verhandlungstisch im Wege eines Schlichtungs –oder Mediationsverfahrens zum Ziel (u.a. „Die GDL erklärt ausdrücklich, daß sie die Tarifverträge anderer Gewerkschaften mit der Verfügungsklägerin –DB- anerkennt“). Der weitere Vorschlag war nach Angaben der Vorsitzenden bewußt ergebnisoffen formuliert und ausschließlich auf ein durchzuführendes Schlichtungsverfahren der Parteien ausgerichtet.

 

Die Sitzung wurde unterbrochen, die Parteien zogen sich zur Beratung zurück.

 

Nach Wiederaufruf der Sache nahm die DB diesen Vergleichsvorschlag an.

 

Die GDL hingegen lehnte den Vergleichsvorschlag ab, unterbreitete jedoch ihrerseits eine Ergänzung des gerichtlichen Vergleichsvorschlags dahingehend, daß sie ohne den Zusatz der Anerkennung von Tarifverträgen anderer Gewerkschaften durchaus bereit wäre, den Streik zu beenden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

 

Die Sitzung wurde unterbrochen, die Parteien zogen sich zur Beratung zurück.

 

– Hätten beide Parteien den Vergleichsvorschlag angenommen, wäre das Verfahren an dieser Stelle beendet worden. Praktisch hätte dies das sofortige Ende des Streiks bewirkt. –

 

Nach Wiederaufruf der Sache lehnte die DB die Ergänzung des gerichtlichen Vergleichsvorschlags durch die GDL ab mit der Begründung, sie könne keinem Vorschlag zustimmen, welcher die Tarifpluralität zum Inhalt habe. Eine Schlichtung könne nur dann geführt werden, wenn die Grundrechtsfrage geklärt sei (Tarifeinheit oder Tarifpluralität  – verkürzt durch Herrn Weselsky immer mit „wir haben ein Grundrecht auf Streik“ formuliert).

 

Die gütliche Einigung war damit gescheitert, das Gericht zog sich zur Beratung des Urteils zurück.

 

Nach Wiederaufruf erging folgendes Urteil:

1.       Die Klage wird abgewiesen.

2.       Der Wert des Streitgegenstands wird auf EUR 750.000,- festgelegt.

3.       Die Berufung ist zugelassen.

 

Die Vorsitzende Richterin am Arbeitsgericht Schmidt begründete das Urteil wie folgt:

„Der Streik ist nicht unverhältnismäßig und damit nicht rechtswidrig.“

1.       Es liegt kein Verstoß gegen die Friedenspflicht vor, da der vorrangig zur Anwendung kommende Haus-Tarifvertrag (LF-TV) gekündigt wurde und in der Nachwirkungszeit Arbeitskampfmaßnahmen rechtmäßig sind; auf den Bundesrahmentarifvertrag (BuRaLF-TV) kommt es hierbei nicht an, da er eine Regelung in Höhe der konkreten Stunden der Ruhezeit gerade nicht vorsieht, sondern auf den Haus-Tarifvertrag verweist.

2.       Es liegt keine mittelbare Altersdiskriminierung durch die Einführung weiterer Entgeltstufen vor, da sowohl von den deutschen Arbeitsgerichten als auch vom Europäischen Gerichtshof die Betriebszugehörigkeit als ein sachliches Differenzierungskriterium zwischen den Arbeitnehmern als rechtmäßig anerkennt – die Erfahrungsjahre sind dem gleichzusetzen und bilden daher keine Grundlage für eine Altersdiskriminierung.

3.       Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt: Der Streik ist ein erforderliches und geeignetes Mittel, um das Streikziel (Abschluß eines Tarifvertrages) zu erreichen. Die Gewerkschaften haben keine andere Möglichkeit als den Streik, um den Arbeitgeber(-verband) an den Verhandlungstisch zu zwingen. Der Streik ist ferne auch angemessen, da er angekündigt war, befristet ist und für die DB keine Existenzgefährdung darstellt.

 

 

Die Sitzung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main wurde am 6.11.2014 um 23:00 Uhr geschlossen.

 

Am 7.11.2014 fand ab 10:30 Uhr die Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Hessen unter dem Vorsitzenden Richter am Hessischen Landesarbeitsgericht Horcher, Az. 9 SaGa 1496/14, statt, nachdem die Berufungsbegründungsschrift der DB fristgerecht eingegangen war.

Nach Feststellung der Anwesenheit stellte der Vorsitzende fest, daß die Berufung zulässig ist.

Erneut wurde der Sach – und Streitstand durch das Gericht zusammen gefaßt und von den Parteien eingehend erörtert.

Erneut unternahm das Gericht einen Versuch der gütlichen Einigung.

Der Vergleichsvorschlag ist inhaltlich nicht bekannt.

Die Sitzung wurde unterbrochen, die Parteien zogen sich zur Beratung zurück.

Nach Wiederaufruf der Sache nahm die DB den gerichtlichen Vergleichsvorschlag erneut an mit der Begründung, zunächst nur über das weitere Vorgehen der Verhandlungsschritte sprechen zu vollen. Hierzu sei der Abschluß eines Verfahrens-Tarifvertrages – der eine Schlichtung durch einen neutralen Dritten oder ein Mediationsverfahren vorsieht – denkbar.

Die GDL lehnte den Vergleichsvorschlag ab mit der Begründung, sie wolle nicht nur über das weitere Vorgehen verhandeln, sondern auch über inhaltliche Ziele, weiterhin wolle sich die GDL diesen Streik nicht nehmen lassen und werde diesen auf keinen Fall vorzeitig (also vor Montagabend) beenden.

Hierauf unterbreitete die DB einen eigenen Vergleichsvorschlag: gegen Beendigung des Streiks der GDL zumindest am 9.11. in Berlin (hier finden die offiziellen Feierlichkeiten zum Tag des Mauerfalls statt) würde sie, die DB, das Urteil der 1. Instanz (Rechtmäßigkeit des Streiks) akzeptieren und nach Streikende erneut Schlichtungsversuche unternehmen.

Der Proezßbevollmächtigte der GDL erfragt beim Gericht die Tendenz eines möglichen Urteils. Seitens des Gerichts wurde ihm bedeutet, daß sie nicht anders als die 1. Instanz ausfallen könne.

Die Sitzung wurde unterbrochen, die Parteien zogen sich zur Beratung zurück.

Nach Wiederaufruf der Sache lehnte die GDL den Vergleichsvorschlag der DB ab.

Das Gericht zog sich zur Beratung eines Urteils zurück.

 

Nach Wiederaufruf der Sache erging folgendes Urteil:

1.       Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

 

 

Zur Begründung des Urteils führt der Vorsitzende folgendes aus:

1.       Es liegt kein Verstoß gegen die Friedenspflicht vor, da der speziellere und vorrangig zur Anwendung kommende Haus-Tarifvertrag (LF-TV) gekündigt ist und in dessen Nachwirkungszeit gestreikt werden dürfe.

2.       Es liegt keine mittelbare Diskriminierung durch Einführung weiterer Entgeltstufen vor, da Betriebszugehörigkeit und Erfahrungsalter gleichzusetzen sind, als sachliche Differenzierungskriterien zugelassen sind und beide denknotwendig mit steigendem Lebensalter zusammenhängen. Hier könne das erkennende Gericht keine endgültige Entscheidung treffen, da man sich im Eilverfahren befände und die Entscheidung über diese Frage die Angelegenheit des Hauptsacheverfahrens vorwegnähme.

3.       Der Streik ist verhältnismäßig und damit rechtmäßig, da die Interessenabwägung zugunsten des Streikrechts als Grundrechts ausfällt, der Streik zeitlich begrenzt ist, es ausreichende und gute Notfall-Fahrpläne und Schienenersatzverkehr gibt, die den Bahnbetrieb aufrecht erhalten und schließlich keine Existenzvernichtung der DB droht.

 

Die Sitzung wurde gegen 14 Uhr geschlossen.

 

 

Unmittelbar darauf trat der Vorsitzende der GDL, Herr Weselsky, vor die im Gerichtsflur wartende Presse und erklärte die Beendigung des Streiks für Samstag, 8.11.2014, um 18 Uhr.