Grenzen zulässiger Äußerungen von Industrie- und Handelskammern

Industrie- und Handelskammern dürfen Stellungnahmen oder sonstige Erklärungen nur zu Themen abgeben, bei denen es um nachvollziehbare Auswirkungen auf die gewerbliche Wirtschaft in ihrem Bezirk geht.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Geklagt hatte ein Reisebüro, das kraft Gesetzes Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer ist und sich gegen einzelne Äußerungen in einem Grundsatzpapier der IHK zu Themen der Bildungs-, Forschungs-, Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik, der sog. „Limburger Erklärung“, wandte. Das Verwaltungsgericht hatte die Klage abgewiesen, der Hessische Verwaltungsgerichtshof dagegen einen Teil der Äußerungen für rechtswidrig gehalten.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dem vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten rechtlichen Maßstab, nach dem Äußerungen zu Themen, die Interessen der gewerblichen Wirtschaft im Randbereich berühren, nur eingeschränkt zulässig sind, nicht gefolgt. Auch in diesem Bereich ist es den Industrie- und Handelskammern gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse ihrer Mitglieder zur Geltung zu bringen. Belange der gewerblichen Wirtschaft werden wahrgenommen, wenn die Äußerung sich auf einen Sachverhalt bezieht, der nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft im Bezirk der Industrie- und Handelskammer hat. Diese Auswirkungen müssen sich aus der Äußerung und ihrem textlichen Zusammenhang ergeben.

Da die Industrie- und Handelskammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften öffentliche Aufgaben wahrnehmen, müssen sie auch bei ihrer Aufgabe, die gewerbliche Wirtschaft gegenüber dem Staat zu vertreten, das höchstmögliche Maß an Objektivität walten lassen und dürfen keine reine Interessenvertretung sein. Das setzt voraus, dass ihre Äußerungen sachlich sind und die notwendige Zurückhaltung wahren.

Erklärungen und Stellungnahmen müssen zudem unter Einhaltung des dafür vorgesehenen Verfahrens zustande kommen. Die Pflichtmitgliedschaft der Gewerbetreibenden ist nur gerechtfertigt, wenn deren Gesamtinteresse, das die IHK wahrzunehmen hat, durch die nach Gesetz und Satzung zuständigen Gremien ermittelt wurde. Daran fehlte es im vorliegenden Fall, weil die „Limburger Erklärung“ erst nach ihrer Veröffentlichung von der Vollversammlung der Beklagten genehmigt wurde. Das macht sie auch unabhängig von ihrem Inhalt rechtswidrig.

BVerwG 8 C 20.09 – Urteil vom 23. Juni 2010